Risse zeigen sich bei Paaren, in Familien und im Freundeskreis. Der eine kann den anderen nicht mehr ertragen, und dafür kann es nur eine Erklärung geben: er muss böse sein. Die guten alten „Wir gegen die“ und „Gut gegen Böse“ deuten aber vor allem auf eins: Mangel an Differenzierung – womöglich gar nicht allein des Willens sondern des Vermögens dazu. Die Erklärung dafür ist ganz simpel: hochgeschaukelte Gefühle der Empörung und Ablehnung sind Stresszeichen, und Stress verändert die Körperphysiologie inklusive der Umleitung des Blutstroms vom Gehirn zu den Muskeln. Wer gestresst ist, will lieber kämpfen als nachdenken. Er kann gar nicht anders, denn die Blutzufuhr zum „Denkhirn“, dem Frontallappen, ist ja abgeschnitten.

Wer in einem lichten Augenblick dann doch zur Erkenntnis kommt, dass wir gemeinsam stark sind und zerstritten leicht zu besiegen, sollte dies auch umsetzen, wenn er es für wertvoll genug findet, dafür etwas zu tun.
Im Alltag bieten sich viele Gelegenheiten, die man nur wahrnehmen muss. Ich möchte von zwei persönlichen Ereignissen berichten, die ich bei Kursen erlebt habe.
Die Aufgabe für uns Azubis in Tanzpädagogik war es, eine Art wortlose Kommunikation mit einem Partner zu führen. Person A sollte zur Musik eine spontane selbstgewählte Bewegung machen, die Person B spiegeln sollte. Sagen wir, ein Winken mit einer Hand. Person B sollte das nachmachen und darauf mit einer eigenen Bewegung antworten. Vielleicht mit einer Drehung um sich selbst, worauf Person A wiederum mit einem Schütteln eines Fußes antwortete. Auf diese Weise entsteht ein tänzerisches Wechselspiel, während dessen man sich einander mehr und mehr anzupassen beginnt. Man „ahnt“ irgendwie schon, was der Partner als Nächstes tun wird. Die Spiegelneuronen feuern, und die kleinen Verzögerungen zwischen dem Erkennen der Bewegung und ihrer eigenen Ausführung werden immer kürzer. Es entwickelt sich eine Synchronität, alles spielt sich beinahe gleichzeitig ab. Und auch wenn man nicht – zumindest nicht bewusst – weiß, was die Gesten und Moves nun bedeuten, bekommt man ein feines Gespür für sein Gegenüber und fühlt sich mehr und mehr mit ihm verbunden.
Der Tanz war nur kurz, keine fünf Minuten lang, doch als die Musik stoppte, hatten wir beide das Gefühl, abrupt und gegen unseren Willen voneinander getrennt zu werden. Dank der Ausschaltung der Gedankentätigkeit durch die volle Konzentration auf den Körper war es uns möglich gewesen, uns anzunähern, zu begreifen und ein Gefühl der Einheit entstehen zu lassen. Was wir genau getan hatten, spielte keine Rolle, was es uns hat erleben lassen, war tief beeindruckend.

Etwas später erlebte ich dasselbe Phänomen in einer Gruppe. Glücklicherweise war sie sehr homogen, auch wenn die Menschen sehr unterschiedlich waren, jung und alt, aus den verschiedensten Berufen, mit unterschiedlicher Motivation, doch alle waren gekommen, um Entspannung zu lernen. Das funktionierte so gut, dass selbst der eine Außenseiter nicht zum Störfaktor, sondern integriert wurde.
Nach ein paar Wochen sind bestimmte Strukturen etabliert. Jeder weiß, es beginnt mit Begrüßung und einer kleinen Gesprächsrunde, es folgt die Erklärung der neuen Aufgabe, sie wird geübt und besprochen, und zum Abschluss machen wir eine etwas längere Tiefenentspannung. Solche wiederholten Abfolgen werden zu Ritualen, führen zu einer Einstimmung der Teilnehmer, und viele freuen sich schon auf die jeweilige Abschlussübung des Abends. Psychologisch kommt der Effekt des „Priming“ zur Wirkung, d.h. man ist vorbereitet und reagiert schon gewohnheitsmäßig mit einer „vorauseilenden“ Entspannung, bevor die Übung überhaupt beginnt. Das macht es einem Kursleiter natürlich leicht.
An einem der letzten Abende war die Gruppe so eingespielt, dass ich kaum noch Anweisungen geben musste, sie machten es quasi selbstständig, und das war natürlich das Ziel des Kurses. Doch dieses Mal nahm mich die Wirkung der Übung selbst mit. Ich erlebte es zum ersten Mal, dass ein gutes Dutzend Menschen in einer tiefen Entspannung synchron atmete. Das war ein tief berührender Augenblick, und ich werde ihn nie vergessen, auch wenn ich Ähnliches später noch öfter erleben sollte. Die Stille, der Einklang, der Frieden – das ist schwer zu beschreiben.

Das Gefühl des Einsseins mit einer einzelnen Person oder einer ganzen Gruppe von Menschen löst Disharmonie und Zwist auf. Nein, strittige Dinge werden nicht notwendigerweise gleich ausdiskutiert. Auch in Friedenszeiten sollte man sich hüten, mit Sprengstoff zu hantieren, dazu sollte das Verhältnis schon gefestigt sein, so dass man auch heikle Themen ansprechen kann. Ganz sicher aber ist es hilfreich, einen tragfähigen Frieden herzustellen, um die Erfahrung der Einheit für die Aufarbeitung strittiger Angelegenheiten zu nutzen. Welche Zeit wäre wohl besser geeignet?
Eine solche Erfahrung lässt sich jedoch bereits verbunden fühlen und Gegensätze als weniger heftig empfinden. Sie weckt den Wunsch, eine gemeinsame Lösung zu finden.
Deshalb denke ich, sollten viel mehr Menschen immer häufiger solche Erlebnisse haben. Es wird nicht nur die Welt zu einem friedlicheren Ort, es wird auch die Einzelnen glücklicher, resilient und hoffnungsvoll machen.
Im Laufe des Aufbaus dieser Webseite werde ich Ihnen Hilfsmittel dafür anbieten, z.B. geleitete Meditationen oder auch Tanztracks, die Sie hoffentlich nutzen werden. Ich hoffe, Sie machen mit und haben ein wenig Freude daran.